11.11.2024: Besondere Bilder
Ein paar Fotos, die mir in diesem Jahr besonders am Herzen liegen, sind auf den ersten Blick unspektakulär. Daher möchte ich auf sie etwas genauer eingehen und erklären, was darauf zu sehen ist und warum ich sie für besonders halte.
Auf dem ersten Bild ist eine Brennnessel zu erkennen, genauer gesagt eine männliche Pflanze der Großen Brennnessel (Urtica dioica). Diese Art bildet weibliche und männliche Pflanzen aus. Damit Samen gebildet werden, müssen die Pollen der männlichen die Blüten der weiblichen Pflanzen erreichen. Daher werden die kleinen und leichten Pollen in Wolken von den Brennnesseln abgegeben und mit dem Wind verteilt. Sind weibliche Pflanzen in der Nähe, erreichen Pollen sie und es kommt zur Befruchtung und Samenbildung. Den Vorgang des Ausschleuderns habe ich Ende Juli an einem heißen Sommertag zunächst beobachtet und dann mit meiner Kamera aufgenommen. Geachtet habe ich dabei u.a. auf eine kurze Belichtungszeit (1/1000 sec) sowie auf die Ausrichtung vor einem dunklen Hintergrund (hier Bäume und Gebüsch), vor dem die hellen Pollenwolken gut erkennbar sind. In der Originalauflösung sind in den Wolken sogar die einzelnen Pollenkörner zu erkennen.
Das zweite Bild zeigt auf den ersten Blick zwei Insekten, die sich auf einer Pflanze gegenübersitzen. Erst bei genauer Betrachtung fällt auf, dass das Tier links eine frisch geschlüpfte Nymphe der Prachtwanze (Miris striatus) ist. Bei der Struktur rechts handelt es sich daher nicht um ein Tier, sondern um die alte Haut der kleinen Wanze, aus der sie sich gerade herausgeschält hat. Diese ist im Kopfbereich entlang einer Naht an einer Sollbruchstelle aufgeplatzt, da sie für die wachsende Wanze zu klein wurde. Unter der alten Haut hat sich zuvor bereits eine neue gebildet, die den ganzen Körper umschließt. Daher ist zum Beispiel auch die alte Haut der Beine einfach stehen geblieben. Eine solche leere Insektenhülle nach der Häutung bezeichnet man auch als Exuvie. Viele Insekten fressen ihre alte Haut direkt nach der Häutung auf, da sie nützliche Nährstoffe enthält. Kurz nach der Aufnahme dieses Fotos sah sich die junge Wanze gerüstet für den nächsten Lebensabschnitt und krabbelte auf ihren frischen Beinen davon.
Das dritte Bild entstand im Sommer auf meinem Balkon. Dort wachsen seit ein paar Jahren verschiedene Glockenblumenarten, die von verschiedenen Insekten, darunter zahlreiche Wildbienen, frequentiert werden. Während die Honigbienen (Apis mellifera) die Pollen, die sie an Blüten sammeln, in haarigen Strukturen an den Beinen verstauen, transportieren viele Wildbienenarten den Pollen an der Unterseite des Hinterleibs. Dabei fliegen sie Blüten an und schieben dann mit ihren Beinen die Pollen in haarige Strukturen, sogenannte Bauchbürsten. Kurz zuvor habe ich ein Foto dieser oder einer verwandten Biene mit leeren, rötlichen Haarbürsten unter dem Bauch aufnehmen können. Bei der fotografierten Art handelt es sich vermutlich um die Garten-Blattschneiderbiene (Megachile willughbiella), bei der sich die mit weißen Glockenblumenpollen gefüllte Bauchbürste gut erkennen lässt.
Das vierte und letzte Bild zeigt ein Phänomen, das ich in diesem Jahr das erste Mal beobachten konnte. Dabei hängen Fliegen auffällig reglos, oft mit dem Kopf nach unten, an Blattspitzen oder Gräsern. Auch wenn man sich nähert, fliegen oder krabbeln sie nicht davon. Das können sie auch nicht, denn sie leben nicht mehr. Sie wurde befallen vom sogenannten Fliegentöter-Pilz (Entomophthora muscae). Pilzsporen, die auf eine Fliege treffen, wachsen durch deren Außenskelett und ernähren sich dann von der Hämolymphe der Fliege. Kurz bevor die Fliege stirbt, begibt sie sich zu einem erhöht gelegenen Punkt. Dort schwillt der Körper durch den Pilz immer weiter an, bis er platzt und die Sporen ausschleudert. Da andere Fliegen vom Aussehen der toten Fliege und dem Geruch des Pilzes angezogen werden, sind sie oft nah genug, um ebenfalls infiziert zu werden. Während das Geschehen makaber klingt, ist es doch ein im Ökosystem völlig normaler Vorgang.